NZZ wrote that up to 7% can be perfectly legal. You might want to read the article before sending reistered letters.
Mietzinserhöhung erhalten: Was man dagegen tun kann, und wer sie akzeptieren muss
Nach dem Anstieg des Referenzzinses vor zwei Wochen erhalten nun Zehntausende von Mieterhaushalten Post von ihren Vermietern. Wie man auf eine Mietzinserhöhung reagieren sollte.
Andrea Martel
17.06.2023, 05.30 Uhr
Mit den höheren Zinsen steigen in der Schweiz systembedingt auch die Mieten.
Karin Hofer / NZZ
Patrick Frost, der Chef des Lebensversicherers Swiss Life, ist erfrischend transparent. «Wir werden die Miete auf rund 21 000 von unseren insgesamt 38 500 Wohnungen in der Schweiz erhöhen und sind daran, dies sorgfältig vorzubereiten und zu kommunizieren», gab er am vergangenen Wochenende in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen zu Protokoll.
Was der Versicherungskonzern als grösster privater Wohnungsvermieter vorhat – und mit ihm die meisten Vermieter –, ist nichts Anstössiges. Die Vermieter halten sich schlicht an das Schweizer Mietrecht. Dieses besagt, dass man den Mietzins in einem laufenden Mietverhältnis nur aus ganz bestimmten Gründen erhöhen kann: beispielsweise eben bei einem Anstieg des Referenzzinses. Umgekehrt dürfen die Mieter eine Senkung einfordern, wenn der Referenzzins fällt.
Aber auch wenn die Vermieter nun nach über 15 Jahren erstmals das Recht haben, die Miete referenzzinsbedingt nach oben anzupassen, sollte man als Mieter ein paar Dinge überprüfen, falls eine Mietzinserhöhung ins Haus flattert:
1. Gehöre ich zu Recht zu jenen Mietern, die jetzt eine Mietzinserhöhung erhalten?
Ob eine referenzzinsbedingte Mietzinserhöhung erlaubt ist oder nicht, kann man als Mieter einfach herausfinden: Auf dem Mietvertrag steht in der Regel, auf welchem Referenzzins der Vertrag basiert. Steht dort 1,25 Prozent, ist die Erhöhung zulässig. Dies ist bei allen Mietverträgen der Fall, die nach dem 1. März 2020 abgeschlossen wurden, denn ab dann galt der Satz von 1,25 Prozent.
Steht dort ein höherer Wert (weil der Mietvertrag vor dem 1. März 2020 abgeschlossen wurde), ist zu prüfen, ob sämtliche seit Mietantritt eingetretenen Senkungen des Referenzzinssatzes gewährt wurden. Eine Mietzinsanpassung unter Berufung auf den gestiegenen Referenzzinssatz rechtfertigt sich nur, wenn eine Senkung des Mietzinses bis zum Stand von 1,25 Prozent gewährt wurde.
Für den Fall, dass man den zugrunde liegenden Referenzzins auf dem Mietvertrag nicht findet: Relevant ist der Zinssatz, der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegolten hat. Auf der Website des Bundesamtes für Wohnungswesen findet man zur näheren Überprüfung eine Liste der Referenzzinssätze der vergangenen Jahre.
2. Der Referenzzinsanstieg erlaubt eine Erhöhung der Miete um 3 Prozent. Mein Vermieter schlägt jedoch 6 Prozent auf. Ist das erlaubt?
Eine Erhöhung von mehr als 3 Prozent kann durchaus erlaubt sein, denn es gibt verschiedene Erhöhungsgründe. Rein vom Referenzzins her ist eine Erhöhung des Mietzinses um maximal 3 Prozent zulässig.
Die Vermieter dürfen jedoch zusätzlich auch 40 Prozent der aufgelaufenen Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen überwälzen. Diese beiden Faktoren könnten die Vermieter auch unabhängig vom Referenzzins geltend machen. Dass jetzt alles zusammenkommt, hat damit zu tun, dass man den Mietzins nicht ständig anpassen will, sondern es lieber in einem Aufwasch macht.
Bei den Kostensteigerungen werden von den Schlichtungsstellen in der Regel pauschal 0,5 Prozent pro Jahr akzeptiert. Um die Pauschale einzufordern, braucht der Vermieter keine Belege. Beträge, die über diesen 0,5 Prozent sind, müssen jedoch konkret nachgewiesen werden können.
Wie viel genau zusätzlich zu den 3 Prozent überwälzt werden kann, hängt somit vom Datum der letzten Mietzinsanpassung oder des Mietantritts ab.
Beispiel: Wer schon länger in der gleichen Wohnung wohnt und seit Juli 2020 (nach der letzten Referenzzinssenkung vom März 2020) den gleichen Mietzins zahlt, muss allenfalls mit bis zu knapp 7 Prozent Aufschlag rechnen: 3 Prozentpunkte Referenzzins plus 2,4 Prozentpunkte Teuerung (40 Prozent von 6 Prozent aufgelaufener Teuerung gemäss Landesindex der Konsumentenpreise) plus 1,5 Prozentpunkte Kostensteigerungen (dreimal Pauschale von 0,5 Prozentpunkten).
Wer eben erst eingezogen ist und bereits die erste Mietzinserhöhung bekommt, sollte sich jedoch wehren, wenn der Anstieg erheblich mehr als 3 Prozent beträgt. Nach einem halben Jahr beispielsweise rechtfertigt sich aus Teuerungsausgleich und Kostensteigerungen ein zusätzlicher Aufschlag von 0,9 Prozent.
3. Wurde ich korrekt informiert?
Eine Mietzinserhöhung muss nicht nur inhaltlich stimmen, sondern auch formal. Sie ist rechtlich nur bindend, wenn sie entweder auf dem amtlichen Formular mitgeteilt wird oder auf einem Formular, das vom Kanton, in welchem sich die Wohnung befindet, genehmigt wurde.
Diese Formularpflicht soll sicherstellen, dass die Mietzinserhöhung klar begründet ist und der Mieter bei Erhalt auch über seine rechtlichen Möglichkeiten informiert wird, die Erhöhung bei der Schlichtungsbehörde anzufechten.
Wird eine Erhöhung – im Gegensatz zu einer Senkung – per E-Mail oder gewöhnlichem Brief angekündigt, ist sie nichtig. Das heisst, man braucht sie als Mieter gar nicht anzufechten; sie ist sowieso unwirksam. Das Gleiche gilt, wenn die Erhöhung nicht klar begründet wird. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Vermieter verschiedene Erhöhungsgründe nennt, ohne dass er für jeden einzelnen den dafür berechneten Aufschlag betragsmässig ausweist. Solche Fehler sollte man als Mieter jedoch zuerst beim Vermieter direkt monieren, bevor man sich allenfalls an die Schlichtungsbehörde wendet.
Eine Mietzinserhöhung ist zudem nicht von heute auf morgen erlaubt, sondern erst auf den nächsten Kündigungstermin und unter Einhaltung der Kündigungsfrist und einer zehntägigen Bedenkfrist. Eine Erhöhung ist also frühestens per 1. Oktober 2023 zulässig, wenn im Mietvertrag keine vom gesetzlichen Minimum von drei Monaten abweichende Kündigungsfrist vereinbart worden ist.
4. Ich fühle mich unsicher, ob ich etwas unternehmen muss. Was soll ich tun?
Wer die ersten drei Punkte für sich geprüft hat und zum Schluss kommt, dass alles in Ordnung ist, kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die Erhöhung rechtens ist.
Trotzdem ist es verständlich, wenn man als Mieter auf Nummer sicher gehen will. Mit einer Mietzinserhöhung konfrontiert zu werden, passiert schliesslich nicht alle Tage. Seit der Einführung des Systems mit dem Referenzzins gab es diese Situation noch gar nie, weil die Zinsen stets gesunken sind. Entsprechend haben viele Mieter keine Erfahrung mit Mietzinserhöhungen. Und wehren kann man sich nur innerhalb der ersten 30 Tage. Nach dieser Frist gilt der neue Mietzins als akzeptiert.
Der Staat hat für diese Fälle vorgesorgt. Die Schlichtungsbehörden sind verpflichtet, unentgeltlich Rechtsauskunft zu erteilen. In der Stadt Zürich etwa erhält man montags und mittwochs kostenlos eine Viertelstunde mündliche Beratung, entweder telefonisch oder vor Ort.
Auf der Basis dieser Auskunft sollte man abschätzen können, ob es sinnvoll ist, gegen die Mietzinserhöhung Einsprache zu erheben. Bei der Schlichtungsbehörde erhält man bei Bedarf auch das notwendige Formular für die Anfechtung bzw. kann es dort herunterladen.
5. Muss ich eine korrekt weitergegebene Erhöhung des Referenzzinses in jedem Fall akzeptieren?
Eine Einsprache ist nicht nur erlaubt, wenn mit der Mietzinserhöhung etwas nicht stimmt, weil etwa zu hohe Kostensteigerungen überwälzt werden sollen. Auch eine korrekt weitergegebene Mietzinserhöhung ist anfechtbar. Man kann als Mieter nämlich – ähnlich wie beim Anfangsmietzins – auch argumentieren, der Mietzins sei missbräuchlich hoch.
Die Karte der Missbräuchlichkeit sollte jedoch nicht leichtfertig gezogen werden. Wer schon lange in seiner Wohnung wohnt und wenig Miete zahlt, weil ihm die Referenzzinssenkungen weitergegeben wurden, hat kaum Chancen, mit seinem Begehren durchzukommen. Eine solche Anfechtung wäre zudem ein Affront gegenüber dem Vermieter.
Anders kann es aussehen, wenn man eben erst eingezogen ist und praktisch die Marktmiete bezahlt. Aber selbst wer einen hohen Mietzins bezahlt, kann nicht davon ausgehen, dass seine Anfechtung Aussicht auf Erfolg hat; denn wie hoch ein Mietzins sein darf, lässt sich nur schwer eruieren.
So gibt es zwar ein Bundesgerichtsurteil, das besagt, dass ein Mietzins missbräuchlich ist, wenn die Netto-Rendite aus einer Mietliegenschaft mehr als 3,5 Prozent (Referenzzins plus 2 Prozentpunkte) beträgt. Aber zum einen handelt es sich um eine spezielle – eben mietrechtliche – Renditeberechnung. Zum anderen betrifft diese Regelung nur Bauten, die vor weniger als 30 Jahren gebaut oder erworben wurden. Bei sogenannten Altbauten gilt: Solange der erhöhte Mietzins im Rahmen der quartierüblichen Mietzinse ist, bleibt kein Raum für eine zusätzliche Nettorendite-Berechnung.
Nachzuweisen, dass ein Mietzins die Orts- und Quartierüblichkeit überschreitet, ist praktisch unmöglich. Statistiken, die zeigen, wie hoch die Mieten in einem Quartier im Schnitt sind, existieren nicht. Der Nachweis, was ein orts-und quartierüblicher Mietzins ist, muss daher konkret geführt werden durch die Bezeichnung von mindestens fünf Objekten im gleichen Ort oder Stadtquartier, die nach Lage, Grösse, Zustand, Ausstattung und Bauperiode mit dem Mietobjekt vergleichbar sind. Für sehr neue Bauten (unter 15 Jahren) gelten zudem nochmals andere Regeln.
Wer auf Missbräuchlichkeit plädiert, begibt sich somit in die Untiefen des Schweizer Mietrechts, das man wegen der nur rudimentären gesetzlichen Regelungen etwas überspitzt als Flickwerk aus Bundesgerichtsentscheiden bezeichnen kann. Die Zürcher Zivil- und Strafgerichte selber schreiben auf ihrer Website zum Thema Missbrauchsgesetzgebung, die Regelung sei «kompliziert und zum Teil widersprüchlich».
Als Mieter kann man mit einer Einrede vielleicht vom Vermieter ein gewisses finanzielles Entgegenkommen herausholen. Aber das muss nicht heissen, dass der ursprünglich verlangte Mietzins missbräuchlich gewesen wäre. Es kann auch einfach darum gehen, ein mühseliges und – wegen der erwähnten Widersprüchlichkeit – oft auch unberechenbares Verfahren zu vermeiden. Und das kann ja nicht der Sinn der Sache sein. Um nochmals die Website der Zürcher Gerichte zu zitieren: «Den ‹gerechten Mietzins› findet man mit dem geltenden Recht nicht.»
Unterschiedlicher Manövrierraum
Und das Fazit? Vielleicht am ehesten das: Der Schweizer Mietwohnungsmarkt funktioniert im internationalen Vergleich sehr gut. Wohnen in der Schweiz ist teuer, ja – aber gemessen an den Einkommen nicht teurer als in den Nachbarländern. Und die Qualität der Wohnungen ist deutlich besser.
Mieter und Vermieter sind zudem nicht Gegner, sondern Vertragspartner. Es lohnt sich, wie überall, wachsam und kritisch zu sein. Aber es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass einen der Vermieter über den Tisch ziehen will.
Dass nun Mietzinserhöhungen anstehen, ist weder Wunsch noch Wille der Vermieter, sondern systembedingt: Steigen die Zinsen, erhöht sich langsam und mit Verzögerung auch der Referenzzins, was den Vermietern Mietzinserhöhungen erlaubt.
Ein privater Vermieter mag – wenn es seine finanzielle Situation zulässt – frei entscheiden können, wie er mit dem Anstieg des Referenzzinses umgeht: Ob er ihn sofort und im vollen Umfang weitergibt oder ob er abwartet. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig. Institutionelle Vermieter wie Pensionskassen oder Versicherungen haben jedoch wenig Spielraum: Ihre Aufgabe ist es in erster Linie, das Geld ihrer Versicherten, zu denen der Grossteil der Bevölkerung gehört, möglichst gut zu verzinsen. Dazu gehört auch, die Mietzinsen in ihren Wohnliegenschaften zu erhöhen, wo dies rechtlich vorgesehen ist.