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Neubau-Siedlung am Uetliberg
47 Wohnungen an Zürcher Top-Lage – zögern Käufer wegen Kleingedrucktem?
Trotz gesenkter Preise wird Swiss Prime Site Solutions ihre Wohnungen in Uitikon Waldegg nicht los. «Ungewöhnliche Klauseln» im Kaufvertrag könnten Interessenten abschrecken.
In Kürze:
- Swiss Prime Site Solutions scheint Schwierigkeiten beim Verkauf ihrer Wohnungen in Uitikon-Waldegg zu haben.
- Kaufinteressierte könnten durch verschiedene Vertragsklauseln abgeschreckt werden.
- Der Kaufvertrag enthält ungewöhnliche Bestimmungen zur Wohnungsabnahme und zu Mängeln.
Der Blick von den Balkonen ist noch unverbaut und geht über Wiesen und Felder. In Uitikon-Waldegg stehen neu erstellte Wohnungen zum Verkauf. Und das schon seit längerem. Gebaut hat die sechs Mehrfamilienhäuser die Swiss Prime Site Solutions (SPSS), eine Gesellschaft der Swiss Prime Site. Mit einem Immobilienportfolio im Wert von 13,1 Milliarden Franken ist sie die grösste Schweizer Immobiliengesellschaft.
Doch mit der Vermarktung ihrer Wohnungen scheint sie am Fuss des Uetlibergs so ihre Probleme zu haben. Der Einzugstermin wurde mehrmals verschoben, das Vermarktungskonzept angepasst und die Preise für die 2,5- und 3,5-Zimmer-Wohnungen gesenkt. Für potenzielle Besitzerinnen und Besitzer ist das eigentlich eine gute Nachricht. Doch trotz der Preissenkungen kann der Abschluss des Kaufvertrags im schlimmsten Fall zu einem bösen Erwachen führen.
Doch der Reihe nach. Seit März 2024 sind die Wohnungen der SPSS zum Verkauf ausgeschrieben. Sie richteten sich an ältere Menschen, die sich in einer Alters-WG zusammentun wollen. Mit mässigem Erfolg, wie es scheint. Denn derzeit werden nicht mehr nur ältere Leute, sondern allgemein Paare und Personen angesprochen, die «gemeinsam wohnen, unabhängig bleiben» wollen, wie es auf der Website zum Bauprojekt mit dem Namen «Leandro» heisst.
Kaufpreise von Wohnungen wurden angepasst
Beim Bauprojekt scheint es zu Verzögerungen zu kommen. Darauf deutet der mehrfach verschobene Bezugstermin hin. Sollten die Bewohnerinnen und Bewohner ursprünglich ab November 2024 einziehen, wurde der Zeitpunkt erst auf Februar und später auf Mai 2025 verlegt. Zudem sind einige Häuser noch in Baugerüste gehüllt.
Doch die Verzögerung könnte auch mit dem mangelnden Interesse in Verbindung stehen, auf das die Wohnungen zu stossen scheinen: Obwohl die Vermarktung bereits seit fast einem Jahr läuft, sind mit 22 erst knapp die Hälfte der 47 Wohnungen reserviert. Verkauft sind erst acht.
Sind die Wohnungen zu teuer? Ein Blick auf eine Preistabelle aus dem letzten Jahr zeigt, dass die Preise deutlich angepasst werden mussten. Kostete eine 3,5-Zimmer-Wohnung über 100 Quadratmeter im zweiten Stock im vergangenen März 2,08 Millionen Franken, werden heute noch 1,74 Millionen dafür verlangt.
Kaufinteressenten könnten allerdings auch von etwas ganz anderem als dem Preis abgeschreckt sein: dem Kaufvertrag. Eine Person, die namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet, wie ein Bekannter eine Wohnung in der Überbauung nicht kaufte, weil eine ganz bestimmte Klausel im Vertrag stand. Der Entwurf des Kaufvertrags vom August 2024 liegt dieser Redaktion vor. Darin geht es unter Punkt 4 um die sogenannte Gewährleistung.
Baumängel sind gemäss Klausel bei Swiss Prime Site Solutions Sache der Käufer
Diese gibt dem Käufer eigentlich das Recht, sich bei Mängeln an der erworbenen Wohnung, noch mindestens bis zu zwei Jahre nach Vertragsabschluss an den Verkäufer zu wenden, in diesem Fall die SPSS. Sie steht dann in der Verantwortung, mit den entsprechenden Bauunternehmen die Mängel zu beheben. Allerdings nur, wenn eine entsprechende Klausel sie nicht davon entbindet. Im Kaufvertrag für die Wohnungen der Überbauung Leandro ist genau das der Fall.
«Jegliche Gewährleistungspflicht der veräussernden Partei für Rechts- und Sachmängel irgendwelcher Art am Vertragsobjekt wird im Rahmen des gesetzlich Zulässigen vollumfänglich wegbedungen», steht dort. Und weiter: SPSS hafte bezüglich «Sachmängel weder für offene noch für verdeckte Mängel», auch wenn diese «erheblich oder unerwartet» seien.
Und SPSS übernimmt keine Gewährleistung für «offene oder verdeckte Baumängel, Konstruktionsschwächen sowie für Nutzungseinschränkungen irgendwelcher Art».
Das heisst: Treten nach Übergabe der Wohnung Mängel auf, muss sich der Käufer selbst darum kümmern. Er muss sich mit den entsprechenden Unternehmen und Handwerksbetrieben in Verbindung setzen. Im schlimmsten Fall zahlt er für Reparaturen extra.
Mängel in Wohnungen sind programmiert
Dieses Risiko wird im Kaufvertrag formuliert: Zwar trete die SPSS «sämtliche Gewährleistungs- und Haftungsansprüche», die ihr gegenüber den von «ihr beauftragten Planern und Unternehmern zustehen» an die Käufer ab. Sollten einige nicht abtretbar sein, ermächtigt SPSS die Käuferinnen und Käufer auch, das Mängelrecht in ihrem Namen auszuüben – «aber auf eigene Rechnung und eigenes Risiko».
Die Swiss Prime Site Solutions nimmt auf Anfrage keine Stellung. Man äussere sich «insbesondere nicht zu individuellen Kaufverträgen».
«Ein guter Generalunternehmer übernimmt die Verantwortung für Mängel in den folgenden zwei Jahren, gewisse Garantien laufen sogar über fünf Jahre», sagt Adrian Wenger vom VZ Vermögenszentrum. Der Immobilienexperte befasst sich regelmässig mit Kaufverträgen seiner Kundinnen und Kunden. Er würde ihnen davon abraten, diesen Vertrag zu unterschreiben.
Denn Mängel treten bei einer neuen Wohnung garantiert auf – nicht selten gleich zuhauf. «Mir sind Fälle bekannt, bei denen weit über 100 Mängel nach der Übergabe entdeckt wurden», sagt Wenger. Da die Handwerker den Vertrag mit dem Generalunternehmer abgeschlossen hätten, seien sie oft gar nicht bereit, Anfragen der neuen Eigentümer zu behandeln.
Die Klausel ist «sehr erstaunlich»
Dass Generalunternehmen sich von der Gewährleistungspflicht entbinden lassen, um ihre Risiken zu minimieren, sei grundsätzlich nicht ungewöhnlich, sagt ein Anwalt für Baurecht aus Zürich, der im Zusammenhang mit der Swiss Prime Site nicht genannt werden möchte. Der Vertrag von SPSS sei allerdings «extremer als üblich». Denn in den meisten Fällen wäre eine Gewährleistungspflicht über bis zu zwei Jahre gängig. Dass die Swiss Prime Site trotz ihrer Wirtschaftskraft so eine Klausel einbinde, sei schon «sehr erstaunlich», sagt der Anwalt.
Als «sehr ungewöhnlich» bezeichnet er eine weitere Klausel im Vertrag, in der es um die Abnahme der Wohnung geht. Diese erfolgt laut Vertrag noch «am selben Tag» unmittelbar vor der Eigentumsübertragung. Dann würden die Parteien ein Mängel- und Übergabeprotokoll über die «vorhandenen Mängel» aufnehmen und unterzeichnen.
«Abgesehen von den im Protokoll festgehaltenen, allfälligen Mängeln wird davon ausgegangen, dass das Vertragsobjekt ordnungsgemäss und mängelfrei übergeben wurde», heisst es im Vertrag. Dieser Satz müsse gestrichen werden, sagt der Anwalt. So sei dieser gegenüber der Käuferschaft schlicht «unfair» und womöglich sogar anfechtbar.
Adrian Wenger vom VZ Vermögenszentrum hält eine vollumfängliche Abnahme in den Stunden vor dem Notariatstermin für unmöglich. Denn diese brauche Zeit, um auch kleinste Mängel wie Farbflecke oder gerissene Fugen zu entdecken. Manche Mängel, wie Geräusche oder eine nicht funktionsfähige Heizung, fallen meist erst nach der Abnahme auf.
Wengers Fazit: «Wer diesen Vertrag unterschreibt, muss sich auf das Schlimmste einstellen und ein gewisses Budget kalkulieren, um die Mängel selbst zahlen zu können.»